Vampire

Dafür, dass wir am Wochenende keinen Artikel rausgehauen haben, möchte ich mich bei Euch mit einem kleinen Tipp revanchieren. Es geht um die Vampire. Eigentlich geht es um Musik, die dahinter stecket und um die Idee, doch lasst es mich beschreiben.

Blood Bitch von Jenny Hval kam am 30. September 2016 heraus doch ich habe gewartet. Es war irgendwann im November als ich das Album tatsächlich runter geladen habe. Ich war sehr skeptisch: Jenny Hval und Herbst, es konnte keine gute Verbindung werden. Dann habe ich noch einige Zeit damit gewartet und dann habe ich irgend wann im kalten Herbstwind die Musik angemacht. Und rein gehört. Und nichts. Beziehungsweise doch etwas, aber nicht das, was ich erwartet habe. Es war nicht die schön – traurige Jenny Hval, keine Innocent is Kinky sondern etwas völlig anderes.

Die Musik ist zugänglicher. Jemand hat “poppiger” geschrieben, was doch nicht ganz so stimmt, es ist… zugänglicher. Es ist hörbarer. In dem Sinne, dass ich mich dabei ertappte, die Melodien nach einigen Tagen mit zu nippen.

Es wurde dann zu einem kleinen Ritual: Mit Jenny Hval´s Album spazierte ich jeden Tag, ich ging die selbe Route, nicht meditierend, wie ich es hier beschrieben habe sondern ganz einfach so. Könnt Ihr dann das Gefühl? Wenn Ihr Musik intensiv an einem gewissen Ort hört, dann erinnert Euch der Ort an die Musik, dann brennt sie sich da hinein. Dann ist sie präsent und kommt zu einem auch danach. So war es jedenfalls mit mir.

“Wovon handelt das Album, Jenny?” – fragt eine Frauenstimme. “Von Vampiren” – antwortet Jenny. Es ist tatsächlich so, das Album ist von Vampiren bevölkert. Und nicht nur.

Als wir den Namen für den Blog gesucht haben, hatte ich wohl noch Musik in meinen Ohren. Und die Antwort auf die Frage, wovon das Album handele. Jenny Hval ist live zu sehen. Auf Arte.

 

Gehmeditation

Gehmeditation. Meditation im Gehen. Der meditierender geht und zählt seine Schritte. Mache ich es so? Nein. Es ist viel zu langweilig.

 

Das Gehen ist eine sehr wichtige Tätigkeit. Erlaubt es einem in sich zu versenken. Dank der Bewegung erlaubt es auch sich recht rhythmisch zu betätigen. In dem einer geht kann er sehr schnell in Mediation verfallen. Das ist sehr gut.

Die am meisten verbreitete Methode ist die, dass der meditierende dabei seine Schritte zählt. Eins, zwei, drei… Oder seine Atmung. Eins, zwei… Nach einem Kilometer ist es langweilig. Alternativ kann man natürlich auch immer von Vorne anfangen mit dem Zählen. Ist es interessant? Nein. Glaubt mir, Ihr werdet es nach einiger Zeit hassen. Natürlich werdet Ihr nicht denken – worüber auch, Ihr werdet mit dem Gehen und mit dem Zählen beschäftigt sein. Und vielleicht auch mit dem Atmen. er weiss. Doch Ihr werdet nie in einem Hier und Jetzt. Bestimmt nicht im Jetzt. Auf keinen Fall. Also was tun.

Wenn ich gehe, versuche ich stets relativ schnell zu laufen. Und immer die selbe Strecke. Es hört sich bescheuert an. Ich weiss. Doch dann kann es sehr spannend sein. Zunächst, dadurch dass die Strecke immer die selbe ist, kann ich sie mir merken. Ich muss mich nach dem zweiten oder dritten Mal nicht mehr mit der Frage beschäftigen, wo ich gerade bin. Es ist nicht was anderes da: ich weiss ungefähr, wie lange ich laufen werde. Für fünf Kilometer sind es ca. 50 Minuten. Das ist ok, denn ich will keine grossen Rekorde brechen. Ich will einfach nur gehen.

Also habe ich auch keine Apps, die meine Geschwindigkeit oder sonst was messen würden. Auch brauche keine Anfeuerung. Wie gesagt, es geht darum, zu gehen. Dann, das finde ich auch wichtig, versuche ich in dem ganzen Gehen einen gewissen Rhythmus, auch auf den Tag bezogen, einzuhalten. Ich gehe meistens abends. Wenn ich gehe. Und dann das letzte, aber das wichtigste auch von dem gehen: es ädert sch. Alles ändert sich um einen herum. Doch dazu kommen wir später.

Wie mache ich es, wenn ich nicht zähle. Und wie viele Schritte wären es dann? Keine Ahnung. Auf keinen Fall die von verschiedenen Wissenschaftlern als Tagespensum beschrieben werden. Es sind weitaus wenige. Könnt Ihr Euch vorstellen, wie viel 10.000 Schritte sind? Ich weiss es nicht.

Also, was tue ich? Dasselbe, wie bei der Sitzmeditation. Ich konzentriere mich auf meiner Atmung. Doch ich versuche sie nicht zu zählen, meine Atemzüge. Ich mache sie einfach. Und zwar bewusst. Ok, ich nutze das Wort, achtsam. Ich mache sie achtsam, das heisst, ich bin mir des Ein- und Astamens bewusst.

Es gibt noch einen Punkt. Den wichtigsten. Es ist dann nicht nur die Atmung. Es sind die Geräusche, der Duft und die Bilder, die ich wahrnehme. Und dadurch, dass ich nicht denke, dass ich meine Gedanken weg schicke, präge ich es mir nicht ein. Es ist dann jedes mal was neues, etwas spannendes. Und es stört mich nicht, dass ich immer im Kreis laufe. Es ist dann sogar sehr befreiend.

Und das wichtigste. Ich bin in hier und jetzt. Ich bin einfach da. Ich gehe. Ohne zu denken. Ich meditiere dabei. Versucht es selbst. Es ist sehr gut.

Robotermeditation

Können Roboter meditieren? Nein. Auf keinen Fall. Was würden sie denn machen, würden sie meditieren? Aber sie können Go spielen. Manchmal. Und einige von ihnen gewinnen sogar. Wie AlphaGo letztes und dieses Jahr wieder. Und bei Go, da geht es nicht bloß um das spielen. Es geht auch nicht darum, Steine richtig zu setzen. Es geht um die Leere. Und darum, diese zu füllen. Darum auch, es schön zu machen. Mit einem Elan, der Robotern fremd sein müsste. Und das schaffen sie nicht.

Denn Roboter können ja nur das wiederholen, was ihnen die Menschen beibringen. Oder? Folglich können sie auch nicht selbständig denken. Und was würden sie denn während der Meditation machen? Nichts. Sie wüssten gar nicht, was sie damit anfangen sollen. Denn Roboter (ich meine damit auch Software und nicht ausschliesslich die Form der Hardware von der sie umgeben ist), sie sind nur so gut, wie gut sie programmiert sind. Sie können zwar einfache Befehle ausüben, selbst etwas machen, können sie nicht.

Und das wäre doch die Meditation. Es ist eine Versenkung in sich selbst. Die Beschäftigung mit dem eigenen Atem, und der Versuch, eigene Gedanken vorbei ziehen zu lassen, ohne sich ihnen hinzugeben. Meditation, das wäre nach dem Zen ja, hier und jetzt zu sein. Voll und ganz. Gepackt mit Sensoren. Das Gespürte, ja, zu spüren ohne sich allzu viele Gedanken darüber machen zu müssen. Das können Roboter ja. Sie sind. Hier und Jetzt. Einfach nur da. Ohne viele Gedanken. Sie haben Sensoren und können Daten sammeln. Können sehen, spüren, auch riechen. Sie können hören.

Und was ist Go? Eine Meditation ist es nicht. Aber darum geht es jetzt nicht. Die Frage ist, was hat AlphaGo gewinnen lassen. Und warum überhaupt Go? Go ist nicht nur einfach ein altes Spiel das Zuschauer zum Nachdenken einlädt. Es ist auch sehr komplex. Jeder Zug bietet unzählige Möglichkeiten. Deswegen war es viele schwieriger denn im Schach gegen Menschen zu spielen. Bis jetzt. Bis zu dem Zeitpunkt in dem AlphaGo anfing, durchaus menschliche Züge zu spielen. Nicht die effizientesten, aber so gesetzt, dass Lee Sedol aufstehen musste.

Können Roboter meditieren? Ja. Sie machen ja nichts anderes während sie auf deine nächste Bestellung bei AmazonGo warten. Dort spüren sie, was Du kaufen wirst. Noch bevor Du es weisst.

 

Japan – Filmfest Hamburg

Vor einigen Tagen hat mich jemand gefragt, was ich am japanischen Kino so interessant finde. Ich weiss es nicht. Das war meine Antwort. Ich weiss es nicht, weil ich zu wenige japanische Filme gesehen habe. Ok. Kurosawa, würden alle rufen. Klar. Kurosawa kennen viele, wen nicht fast alle, doch das wäre dann auch alles. Woran ich denke ist noch Tōkyō monogatari, sowie die weiteren beiden der Noriko – Trilogie Ozu´s. Und dazu fällt mir die Ruhe, die Gelassenheit, die der ganze Film ausstrahlt. Es ist mehr eine Meditation, ein Nachdenken über den Film als ein Film selbst. Das ist es, was ich an japanischen Filmen so mag. Nicht, dass sie anders sind, sondern das wie sie anders sind. Und dass sie, ja, gelassen sind. Am Mittwoch startet in Hamburg das 18. Japan – Filmfest.

Was wählen? Wie gesagt, ich habe keine Ahnung. Michihito Fujii ist schon ein interessanter Regisseur, am Mittwoch gleich wird Innocent Blood bei Metropolis gezeigt. Vielleicht einige der Animes und der ein oder anderer Dokumentarfilm. Evtl. das Stück über Fukushima, die vergessene Katastrophe. Kann sein.

Ich glaube aber auch dann werde ich nicht sagen können, was ich am japanischen Kino so mag. Es geht aber auch nicht darum. Es zu mögen reicht vollkommen aus.

 

 

 

Gedanken betrachten

Kann ich meine eigenen Gedanken betrachten? Ja. Sicherlich. Bestimmt kann ich es tun nur wozu ist es gut? Zunächst, weil sie einem ganz anders vorkommen, wenn sie betrachtet werden als wenn sie gedacht werden. Es ist ein wenig so, als wenn ich mein Bein beim Gehen betrachten würde. Mein Bein geht, er geht sogar ohne, dass ich etwas dafür tun muss. Doch wenn ich ihn betrachte, werde ich mir meines Beines bewusst. Kenn Ihr das Gefühl? Ganz krass wird es mit Wunden. Wenn Ihr Euch verletzt aber die Wunde nicht seht, ist es nicht manchmal so, dass diese erst dann anfängt zu schmerzen, wenn Ihr sie seht? Seht Ihr? So ist es mit Euren Gedanken.

Wozu ist es gut, seine Gedanken zu beobachten? Eben deswegen. Um sich der Gedanken bewusst zu werden. Nicht nur der Wunden und der Beine sondern eben auch der Gedanken. Wenn Ihr nämlich versucht zu meditieren, werdet Ihr feststellen, dass Ihr unentwegt denkt. Der Kopf denkt für Euch ohne, dass Ihr selbst denken müsst. Versucht es. Nur für einen Moment. Macht die Augen zu und versucht nicht zu denken. Ihr werdet sehen, es klappt nicht. Und das ist das Problem dabei. Ihr denkt unentwegt. Immer. Wie könnt Ihr es umgehen?

Als ich mit dem Meditieren anfing, da machte ich einen Fehler. Es gibt sehr viele Fehler, die man als Anfänger machen kann, doch wenn man ungeduldig ist oder sehr jung, wie ich damals, dann macht man eben diesen Fehler: Ich versuchte nicht zu denken. In dem Versuch war ich so verbissen, dass ich nicht dazu kam, zu meditieren. Und das war mein Fehler.

Wie könnt Ihr den Fehler umgehen? Eben, in dem Ihr Eure Gedanke beobachtet. Es ist an sich sehr einfach, wenn der meditierende weiss, wie es geht. Nämlich mit dem Atmen. Wenn Ihr Euch beim Meditieren auf Euere Atmung konzentriert, auf jeden einzelnen Atem, wenn Ihr es als Euren Anker in der Meditation betrachtet, wird das mit der Beobachtung der Gedanken schon klappen.

Doch das ist nicht alles. Anders als Beine oder Wunden können Gedanken fies sein. Hinterhältig. Sie tarnen sich. Nicht als Gedanken, als Träume. Davor warnt Meister Katsuaki Sekida, wenn er Zaren Übungen beschreibt. Davor warnen auch andere. Sekida sagt, es gebe zwei Arten von Gedanken. Die einen, es sind Gedanken. Die wir so auch erkennen können. Die wir kennen, weil wir sie haben. Die andere Art der Gedanken sind Tagträume. Und die sind sehr trügerisch. Kann der meditierende doch in einen solchen verfallen.

Keine Sorge. In diesem Fall hilft Euch der Atem. Ihr schaut Euch den Gedanken an, ihr beobachtet, was für ein Gedanke es ist. Und dann, dann kehr Ihr ganz behutsam zu Eurer Atmung zurück. Es ist sehr einfach. Und dann noch mal. Und noch mal.

Und dann. Dann werdet Ihr fest stellen, dass Eure eigenen Gedanken beobachten könnt. Und dass es schön ist.

Ressourcen (Manche der Links sind Affiliate Links. Wenn Du über diese Links einkaufst, bekommen wir eine kleine Provision, für Dich ändert sich der Preis nicht. Wir danken für die Unterstützung):

Buch: Katsuki Sekida, Zen-Training: Praxis, Methoden, Hintergründe (HERDER spektrum)

Musik: Gorillaz, Humanz

Gedanken: Eigene

Das Gehen. Vom Laufen. Und Wohnen. Und vom Innehalten.

Seid ihr schon mal gegangen? Ich meine, so richtig. Nicht nur den einen Schritt vor dem andern machen, nicht nur einfach laufen. Gegangen. Seid ihr schon mal gegangen? Ohne ein Ziel, ohne zu wissen, wo ihr hin geht. Oder warum. Habt Ihr das schon gemacht? Ich fange gerade damit an. Und es ist eine verdammt schmerzhafte Erfahrung.

Die meisten Menschen laufen einfach im Kreis: Sie verlassen das Haus um Kartoffel zu kaufen oder Äpfel, um den Müll rauszubringen oder gehen mit dem Hund. Und wenn sie spazieren gehen, so wissen sie meistens, dass sie zurück kommen. Es gibt selten Menschen, die den Müll wegbringen ohne darüber nachzudenken, wo sie in ein Paar Tagen ihre Zelte aufschlagen. Als Jack Kerouac in Kalifornien in die Berge ging, wusste er, wo er zurück gehen wollte. Auch Abraham wusste laut Byung-Chul Han, wo er hin geht.

Die meisten Menschen wissen auch wo sie hin ziehen werden, wenn sie von ihrem Zuhause weg gehen. Das Ziel ist bereits vorgegeben und die neue Wohnung meistens schon gestrichen. Und darum geht es. Um das Haus. Auch wenn ich es mit mir trage, wenn ich ein Nomade in der Mongolei bin, so habe ich das Haus stets um mich. Die Tarahumaras in Mexiko folgen bei ihren Wanderungen festen Routen. Sie wissen bereits beim los gehen, wo und wann sie ihre Zelte losschlagen werden. Mir geht es um was anderes. Um das Gehen.

Wenn das Gehen an sich zu einer Tätigkeit wird, ja, zum Ziel, zum Haus, dann, erst dann könnt ihr vom Gehen sprechen.

Das Gehen findet manchmal im übertragenen Sinne statt. Wenn ich mein bisheriges Leben verlasse um mit einem anderen Menschen zusammen zu sein, wenn ich alles bisher gewohnte, wenn ich es zurück lasse und mich ins Unbekannte begebe. Dann gehe ich. Naiv? Der Weg in die andere Richtung ist ja ähnlich. Wenn ich jemanden verlasse, wenn ich von jemanden weg gehe und nicht weiß, was mich erwartet. Ich verlasse diese Person, ich hinterlasse sie, ich weiss nicht, was passieren wird, ich weiss nicht, wie sich die Zukunft gestalten wird und ob es eine Zukunft, eine Idee der Zukunft geben wird. Denn es geht um das Jetzt. Darum, immer im Jetzt zu sein. Hier. Die Zukunft ist ein Ziel und wir wollen keins erreichen.

Irgendjemand hat mir mal gesagt, mit Motorradfahren würde es ähnlich. Ich denke nicht. Abgesehen von der Idee, dass Motorräder (auch die elektrischen) immerzu Kraftstoff benötigen, der Reisende muss sich also an zumindest mehr oder minder vorgegebene Strecken halten, so ist die Idee eines Sonntagsausflugs zwar sehr nett, reicht aber an unsere Idee des Gehens nicht im geringsten an. Das Gehen, das worum es hier geht, es findet immer statt. Ohne Motorräder. Ohne Sonntagsfahrer. Unbedingt und radikal. Und auf Umwegen, auf Strassen, die nirgends gezeichnet sind, auf Feldern und quer in der Landschaft, auf steinigen Wegen, barfuß. Jeden Tag und jede Sekunde.

Seid ihr schon mal gegangen? So richtig? Ohne umzudrehen? Ohne umdrehen zu wollen? Auch wenn ihr wisst, ihr habt einen Schatz zurück gelassen? Ohne darüber nachzudenken, ob auf eurem Weg Schätze liegen sollen? Seid ihr schon mal gegangen?

 

©M. Kuliniec

Wo ist Pikachū?

Eine Kurze Geschichte über Spaziergänge, Zahlen und die Leere.

Ich weiß nicht mehr genau, wie es damals angefangen hat. Ich denke, ich wollte einfach nur die Wohnung verlassen, einfach raus, weg und nicht mehr nachdenken. Und dann gehen. Fünf Kilometer. Im Kreis. Das hört sich zunächst nach sehr viel an, aber wenn Du vergessen willst, glaub mir, dann ist es die ideale Lösung. Beim Laufen konzentrierst Du Dich einfach auf Deine Schritte, auf jeden einzelnen von ihnen, darauf, wie Dein Fuss den Boden berührt. Dann fängst Du auch ganz allmählich an zu fühlen, wie Dein Körper ganz ruhig wird, Du bemerkst Deinen Atem und auch etwas anderes, etwas ganz neues, Du spürst Leere in Dir. Ab diesem Moment willst Du gar nicht mehr aufhören zu laufen, denn die Leere zieht Dich in sich hinein, es ist eine andere als die in Deiner Wohnung.

Und glaube mir, bald, sehr bald werden Dir auch Wind und Wetter nichts mehr ausmachen und Du wirst die magische Grenze von 10.000 Schritten knacken, Du wirst auf sie pfeifen. Denn es geht hier nicht um die Zahlen. Es geht um die Leere und darum, was sie mit einem anstellen kann. Und mit der Zeit ging es um etwas ganz anderes noch.

Es muss beim zweiten oder dritten Mal gewesen sein, als ich während meiner heiligen Laufstunde eine Nachricht erhielt. Von IHR. Dann noch eine. Und noch eine andere und ach, ich habe auch geantwortet. Es ist nicht so, dass ich SIE nie gesehen hätte. Drei Mal. Aber das reichte um… Verdammt, hier geht es doch nicht um Zahlen sondern um die Tiefe und darum, etwas zu machen weil es schön ist und weil es auf einen eine Sogwirkung entfaltet. In China bedeutet Leere einfach den Raum in dem sich alles abspielt, weil es eben Raum hat sich abzuspielen, der es ermöglicht, dass überhaupt sich etwas abspielt. Bald kam die vierte Nachricht, fünfte und dann auch natürlich “Ich liebe dich” und “Ich Dich auch” und dann kamen die Nachrichten immer wieder und ich musste immer anhalten um sie zu beantworten und wir redeten praktisch die ganze Zeit miteinander.

Mit der Zeit verschoben sich die Sonnenuntergänge so dass ich in der Dämmerung raus ging und in der Dunkelheit der Vorstadt meine fünf Kilometer absolvierte. Die Vorstadt grenzt ans Land. Das Land wird nicht beleuchtet. Die Leere breitete sich aus.

Die Leere ist eine ideale Projektionsfläche für Träume. Ich wusste, dass ich sie liebte und dass wir eines Tages zusammen kommen. Auch wenn uns tausende Kilometer trennten. Denn was sind schon Zahlen. Es ging doch um die Tiefe, oder? Sie schrieb mir, dass ihre Mutter Krebs habe und es nicht schaffen wird und dass sie jeden Abend bei der Mutter sein müsse um sie zu betreuen und sich auf meine Nachrichten freue und ich überlegte jeden Tag, was ich denn schreiben dürfe und was nicht und besonders abends war ich beim Schreiben sehr vorsichtig. Ich war für sie da und eines Tages beschrieb sie mir, wie sie ihre Pizza am liebsten mag und daran werde ich mich immer erinnern.

Eines Tages, Ihre Mutter war da schon seit einigen Tagen tot, beschloss ich den Flieger nehmen und sie einfach zu besuchen. Denn was ist es schon. 10.000 Schritte am Tag im Vergleich zu der großen Liebe. Der größten, die Du hast. Zunächst kam nichts. Dann eine kurze Antwort, sie habe keine Zeit. Aber dann hatte sie schlechtes Gewissen und dann versuchte ich sie zu trösten.

Manche sagen, es sei der Rhythmus, der das Laufen so gut für die Meditation macht, die anderen meinen, der Rhythmus stelle sich ja nicht von alleine ein, daher sei Laufen schwieriger für die Meditation als Sitzen und dazu noch müsse der Läufer ja auf seine Atmung achten, denn ohne die Atmung keine Meditation. Ich denke aber, beim Laufen geht es um nichts. Es geht einfach darum, einen Schritt nach dem anderen zu machen.

Mit jeder Nachricht wurde meine Liebe zu IHR stärker. Sie mochte die selbe Musik wie ich, die selben Bücher, Filme. Ab und an schickte sie mir auch einen Track. Einfach so, weil sie mich mochte.

Dann hörten die Nachrichten auf. Einfach so. Komplett.

Die Leere bildet eine Projektionsfläche für Träume. Und Träume sind doch besser als die Wirklichkeit, oder?

Die einzige Frage, die sich jetzt stellt ist, was hat diese Geschichte mit Pikachū zu tun? Manchmal, als ich durch die Felder ging, dachte ich etwas gelbes, etwas kleines in der Dunkelheit gesehen zu haben. Ich bin sicher, es war Pikachū. Aber vielleicht habe ich nur geträumt.

©M.Kuliniec

Cookie Consent mit Real Cookie Banner