Warum ich Zen übe

Warum ich Zen übe? Für nichts. Na ja, die Wahrheit sieht ein wenig anders aus. Und ein wenig komplizierter. Ich wollte ein Mädchen beeindrucken. Nicht mit Zen. Und auch nicht mit Zazen, es interessierte sich gar nicht für Zen und auch für Yoga nicht und ich muss gestehen, dass sich das Mädchen nicht mal annähernd für fernöstliches begeisterte. Doch darum ging es nicht. Es war was anderes.

Damals hatte ich Jack Kerouacs “The Dharma Bums” gelesen und dachte darüber nach, ob Meditation auch eine Tätigkeit sein kann. Ich muss gestehen, dass ich Kerouacs Meditation nicht mochte. Bewegungslos da sitzen und darüber nachdenken, ob einer Buddha werden kann oder nicht, das ist nichts für mich. Es gab noch eine andere Sache. Und die hat es mir angetan: Das Nichts. Das Nichts Tun. Kann ich es als Tun, kann ich es als Aktivität auffassen? Und welche Aktivität wäre es? Was ist so verdammt inaktiv, so leer, dass ich es als Aktivität spüren kann? Das Nichtstun. Zazen.

Was hat aber Zen mit Nichtstun zu tun? Am Anfang nichts. Und es gibt bestimmt eine ganze Zen Meister, die meinen Gedanken nicht zustimmen werden. Denn das Zen ist… Aber es ist bestimmt nicht das Nichtstun. Es ist viel mehr. Und da werden sie sicherlich Recht haben, doch ich bin hier kein Zen Meister und diese Seite, nun, sie spiegelt meine und Dan´s Erfahrungen und soll keine Anleitung beinhalten.

Das Nichtstun also. Und warum das Nichtstun. Es geht darum, den Geist zu entleeren, darum, in hier und jetzt zu sein, es dann unmittelbar, ohne den eigenen Geist, ohne den Filter der Gedanken zu empfinden. Das Nichtstun steht hier aber nicht in Opposition zu anderen Tätigkeiten sondern beschreibt den Zustand, der einem die Erfahrung ermöglicht. Erst wenn alle anderen Tätigkeiten eingestellt sind, erst wenn wir nichts tun, erst dann ist die Erfahrung möglich.

Doch warum tun? Was tun wir wenn wir nichts tun? Nichts. Das ist die einzige Antwort. Doch es geht hier nicht darum, zu tun oder nicht zu tun sondern darum, auf seine eigenen Gedanken herab zu schauen. Wenn ich 1.000 Meter laufe, dann bin ich müde und das Tun gibt mir die Möglichkeit, auf meine bisherigen Gedanken über mein Mädchen mit anderen Augen zu schauen. Vielleicht wird es mir klar, dass ich es nicht liebe und dass ich es verlassen soll. Ähnlich funktioniert es mit dem Nichtstun. Danach habe ich einen anderen Blick auf meine eigenen Gedanken. Ich liebte das Mädchen. Sogar sehr. Und das wurde mir klar auch wenn ich nicht so oft Nichts getan habe. Ich hoffe, ich habe mich klar ausgedrückt.

Was ist danach passiert? Nichts. Das Mädchen hat mich verlassen. Weil es wohl in der Liebe nicht um das Tun oder das Nichtstun geht, sondern um viel mehr. Doch ich über weiter. Denn das Nichts hat noch einen anderen Aspekt. Es st wie bei der frischen Luft: Ich möchte immer mehr davon haben.

©M. Kuliniec

 

Das Gehen. Vom Laufen. Und Wohnen. Und vom Innehalten.

Seid ihr schon mal gegangen? Ich meine, so richtig. Nicht nur den einen Schritt vor dem andern machen, nicht nur einfach laufen. Gegangen. Seid ihr schon mal gegangen? Ohne ein Ziel, ohne zu wissen, wo ihr hin geht. Oder warum. Habt Ihr das schon gemacht? Ich fange gerade damit an. Und es ist eine verdammt schmerzhafte Erfahrung.

Die meisten Menschen laufen einfach im Kreis: Sie verlassen das Haus um Kartoffel zu kaufen oder Äpfel, um den Müll rauszubringen oder gehen mit dem Hund. Und wenn sie spazieren gehen, so wissen sie meistens, dass sie zurück kommen. Es gibt selten Menschen, die den Müll wegbringen ohne darüber nachzudenken, wo sie in ein Paar Tagen ihre Zelte aufschlagen. Als Jack Kerouac in Kalifornien in die Berge ging, wusste er, wo er zurück gehen wollte. Auch Abraham wusste laut Byung-Chul Han, wo er hin geht.

Die meisten Menschen wissen auch wo sie hin ziehen werden, wenn sie von ihrem Zuhause weg gehen. Das Ziel ist bereits vorgegeben und die neue Wohnung meistens schon gestrichen. Und darum geht es. Um das Haus. Auch wenn ich es mit mir trage, wenn ich ein Nomade in der Mongolei bin, so habe ich das Haus stets um mich. Die Tarahumaras in Mexiko folgen bei ihren Wanderungen festen Routen. Sie wissen bereits beim los gehen, wo und wann sie ihre Zelte losschlagen werden. Mir geht es um was anderes. Um das Gehen.

Wenn das Gehen an sich zu einer Tätigkeit wird, ja, zum Ziel, zum Haus, dann, erst dann könnt ihr vom Gehen sprechen.

Das Gehen findet manchmal im übertragenen Sinne statt. Wenn ich mein bisheriges Leben verlasse um mit einem anderen Menschen zusammen zu sein, wenn ich alles bisher gewohnte, wenn ich es zurück lasse und mich ins Unbekannte begebe. Dann gehe ich. Naiv? Der Weg in die andere Richtung ist ja ähnlich. Wenn ich jemanden verlasse, wenn ich von jemanden weg gehe und nicht weiß, was mich erwartet. Ich verlasse diese Person, ich hinterlasse sie, ich weiss nicht, was passieren wird, ich weiss nicht, wie sich die Zukunft gestalten wird und ob es eine Zukunft, eine Idee der Zukunft geben wird. Denn es geht um das Jetzt. Darum, immer im Jetzt zu sein. Hier. Die Zukunft ist ein Ziel und wir wollen keins erreichen.

Irgendjemand hat mir mal gesagt, mit Motorradfahren würde es ähnlich. Ich denke nicht. Abgesehen von der Idee, dass Motorräder (auch die elektrischen) immerzu Kraftstoff benötigen, der Reisende muss sich also an zumindest mehr oder minder vorgegebene Strecken halten, so ist die Idee eines Sonntagsausflugs zwar sehr nett, reicht aber an unsere Idee des Gehens nicht im geringsten an. Das Gehen, das worum es hier geht, es findet immer statt. Ohne Motorräder. Ohne Sonntagsfahrer. Unbedingt und radikal. Und auf Umwegen, auf Strassen, die nirgends gezeichnet sind, auf Feldern und quer in der Landschaft, auf steinigen Wegen, barfuß. Jeden Tag und jede Sekunde.

Seid ihr schon mal gegangen? So richtig? Ohne umzudrehen? Ohne umdrehen zu wollen? Auch wenn ihr wisst, ihr habt einen Schatz zurück gelassen? Ohne darüber nachzudenken, ob auf eurem Weg Schätze liegen sollen? Seid ihr schon mal gegangen?

 

©M. Kuliniec

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