Verlangsamte Beschleunigung

 

Beschleunigung und Entschleunigung. Zwei Widersprüche. Hier: Das schnelle Leben, die Akzeleration, wobei die Einzelheiten des Augenblicks in der Geschwindigkeit nur verschwommen wahrgenommen werden können. Dort: Die Langsamkeit, die Besinnung auf sich selbst, Achtsamkeit. Ein Widerspruch? Nein.

Beschleunigung. Und es geht gar nicht darum, dass Tage schnell vergehen und wir wissen nicht, wann das Jahr zu Ende ist. Wie ist es anders? Wenn ich auf jeden Atem meines Lebens achte? Wenn ich überlege, wie warm das Wasser ist? Wenn ich ausziehe und irgendwo, fern der Schnelligkeit einen Garten anlege und den Pflanzen beim wachsen zusehe? Merke ich da die Tage?

Ja. Bestimmt. Und ich merke einen jeden Atem. Und es wird mir auch bewusst, dass die Luft morgens anders duftet als am Abend. Ich werde auch aufmerksam, was die Natur angeht und werde darüber nachdenken, wie es sich anfühlt, den Schnee in meinen Händen zu spüren. Ich werde Zeit haben, einer Wespe beim Flug zu zuschauen statt sie nur zu jagen. Vielleicht, doch nur wenn ich viel Glück habe, erkenne ich eine gewisse Struktur in ihrer Flugbahn. vielleicht auch nicht. Vielleicht wird sie einfach ganz wild in meinem Zimmer herum fliegen und ab und an sich hinsetzen. Ich werde das alles beobachten. Und zusätzlich werde ich feststellen können, wie es sich anhört. Wenn sie fliegt. Ist es anders?

Es ist intensiver. Wenn ich auf dem Motorrad schnell fahre, kann ich die Landschaft nur erfassen. Ich werde sie nicht genau betrachten können. Und es liegt nicht nur an der Tatsache, dass ich auf die Straße achten muss. Bäume und Felder um mich herum bilden dann eine Masse, etwas grünes, das an mir vorbei huscht. Gehe ich langsam durch das Feld, kann ich seine Atmosphäre spüren, ich sehe jedes einzelne Korn, ich erlebe das Feld. Ein Unterschied? Nicht unbedingt.

Ich lehne mich jetzt weit aus dem Fenster hinaus. Und im Grunde wollte ich gar nicht so philosophisch werden. Doch die Intensität, auch wenn sie in der Meditation vorkommt, ist nur eine Art, das Leben wahr zu nehmen. Auch die Geschwindigkeit ist eine Intensität. Wir nehmen zwar nicht die Umgebung doch die Geschwindigkeit an sich wahr. Wir können uns an ihr berauschen. Sie genießen. Und das Feld, das zu einer Masse geworden ist.

Zumal wir vom schnellen Leben umgeben sind.

Kein Ausbruch also? Doch. Wenn wir beides nutzen. Beide Intensitäten. Und mit ihnen spielen. Mit der Schnelligkeit und mit der Langsamkeit. Mit der Beschleunigung und der Entschleunigung.

Also. Entschleunigt mal kurz. Für einen Moment. Und dann gebt Gas. Es lohnt sich.

 

 

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