Angst

Von der Angst

Wir müssen über Gefühle sprechen. Über Emotionen. Über die eine vielleicht. Wir sollten uns über Angst unterhalten. Denn Angst ist für einen Europäer eine sehr wichtige Erfahrung. Wir werden mit der Ontologie der Angst erzogen. Oder, um Heidegger zu paraphrasieren, die Welt in der wir als Seiende sind, ist voller Angst. 

1. Heidegger und die Angst

Ich möchte an der Stelle Martin Heidegger nicht analysieren. Vermutlich wäre es zu kompliziert. Und es würde zu viel Platz nehmen. Und vielleicht habe ich ihn nicht verstanden. Außerdem sollen es wie immer lediglich einige Gedanken werden. Vielleicht eine Anregung. Vielleicht auch nicht. 

Heidegger unterscheidet zwischen Angst und Furcht. Angst, meint er, spürten wir vor unbekanntem, vor etwas, das wir nicht kennen. Furcht hingegen würden wir spüren, wenn wir wissen, was kommt (die Heidegger Kenner mögen mir an der Stelle die Verkürzung verzeihen, es geht mir eher um das Vorkommen des Begriffes denn um die korrekte Wiedergabe).

Angst also. Da wir im Leben stets vor dem Erkenntnishorizont stehen, wir wissen nicht, was passieren wird, wir wissen nicht, wie das morgen sein wird, kann es vorkommen, dass wir ständig in Angst verharren. 

Auf der anderen Seite hat die europäische Kultur viele „furchtlose“ (in diesem Sinne wären es eher „angstlose“) Helden produziert, deren einziges Verdienst darin bestand, keine Angst vor der Zukunft zu haben. 

Es ist nicht nur der Begriff der Zeit, der uns ein morgen haben lässt. Es ist die tägliche Lebenserfahrung, die Europäer in Angst versetzt. 

2. Und die Angst vor dem Tod

Der Tod existiert nicht. Wir haben ihn aus der Kultur verbannt. Es gibt den Tod manchmal in den Nachrichten (dann sind wir alle schrecklich entsetzt). Im täglichen Leben spielt er keine Rolle mehr. Wir haben den Tod in den Käfig gesteckt, ähnlich, wie Kant einst Gott in einen Käfig gestellt hat. Und wir hoffen nun, dass wir so dem Tod entkommen können. Oder wollen die Europäer auch der Angst vor dem Tod entkommen? Auch darüber schrieb Heidegger. 

Das Dilemma ist, dass wir weder ontologisch noch medizinisch eindeutig beschreiben können, wann der Tod eintritt. Medizinisch gesehen vielleicht sogar nie, so dass wir eventuell ewig leben könnten (an Apparate angeschlossen, die unsere Körper mit allem lebenswichtigen versorgen). 

Dank dem Tod (und der ungelösten Problematik seines Eintritts) haben wir die Möglichkeit gefunden, unendliche Angst zu spüren. 

3. Und die Politik

Oder soll ich lieber sagen, Religion? Die europäische zumindest ist auf Angst gebaut. Sie diente ja lange Zeit als Legitimierung. Derjenige, der vorgab, Kontakt mit höheren Stellen zu haben (und in der europäischen Erzählung war es der Gott oder die Götter), der bestimmt auch das Bild des Jenseits. Der kann also auch bestimmen, ob wir denn Angst vor etwas haben, das wir nie erleben werden (der eigener Tod kann nicht erlebt werden, da hat Heidegger schon recht, auch wenn der Tod das Ende des Lebens markiert, kann dieser nicht erlebt werden). 

4. Und die Politik

Doch darüber haben wir bereits an vielen Stellen geschrieben. Und wir möchten uns hier nicht wiederholen. Also sei lediglich so viel gesagt, dass Angst als eine der stärksten Emotionen genutzt wird. 

5. Und das Leben

In Angst. Denn das ist, was den Europäern (ich würde allerdings auch Nordamerika dazu zählen), am Ende bleibt. Angst als ein ständiger Begleiter. Angst, die sowohl religiös als auch politisch gewollt und ontologisch (obgleich ich die europäischen Ontologien, gelinde gesagt, wirr finde) erklärt ist. Ein Normalzustand also. Aus dem Religionen, Politiken und Metaphysiken entstanden sind. 

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