Notizen aus einer goldenen Zukunft

Notizen aus einer goldenen Zukunft

Heidegger (aber nicht nur er) kritisiert Hegels Begriff der Zeit. Er meint, aber es ist nicht nur Heidegger, wir lebten „jetzt“. Der Begriff der Zukunft leite sich vom Begriff der Gegenwart ab, in der das Seiende ist. Oder einfacher gesagt, wir erleben nur die Gegenwart, denn die Zukunft ist hinter dem Erfahrungshorizont versteckt. Wir werden sie nicht erleben (das ist nicht mehr Heidegger), denn unsere Vorstellung der Zukunft meistens von der Realität abweicht. Im Täglichen Leben scheint es kein Problem darzustellen. Doch wenn wir von größeren Projekten, gar von Gesellschaften sprechen, so kann diese Erkenntnis manch einen Revolutionär abschrecken (vielleicht deswegen sprechen Postanarchisten nicht mehr über das Konzept der Revolution).

Aber die Zeit?

Eben. Das Verständnis der Zeit. Wir werden sicherlich noch darauf zurück kommen. Die Frage wäre, was wir anstelle der Zukunft denn einsetzen, wenn wir diese noch nicht haben erleben können. Am Ende sollen wir einen Ort erreicht haben, der besser ist als der jetzige. Darauf gründet so manch ein Glaube an „die Entwicklung“ der Menschheit (wobei darunter meist die weiße Welt gedacht ist, die Zukunft der Pueblo Indianer oder der Massai wird ja schon von uns definiert). Habermas, der an die Zukunft der Moderne (was auch immer der darunter verstanden hat) glaubt, wird sicherlich dagegen sein. Als Marxist, stellt die Zukunft einen sehr wichtigen Aspekt. Baut der Marxismus doch auf Hegel und dessen Dialektik, die ein theologisches Projekt der Zukunft sein sollte. 

Aber der Ort?

Auch er ist wichtig in unseren Überlegungen. Der Ort hat hier gleich zwei verschiedene Bedeutungen. Doch zu der foucaultschen komme ich auch gleich zurück. Zunächst der geografische. Und ich meine dabei nicht die Stadtentwicklungskonzepte, die in Heterotopien Orte der Zuflucht sehen. Diese können sofort geschaffen werden. Ohne Rückgriffe auf Revolutionen. Vielleicht ist das der Grund, weshalb solche Orte für Anarchisten sehr wichtig sind. 

Nein. Hier geht es vielmehr um den geopolitischen Ort. Um Orte, die mit Techniken der Massenmedien, der kulturellen Verbreitung, der Sprache zu Utopien, zu Paradiesen werden (sollen). Um Orte, wie Europa (das weit verstandene Europa, das geografisch nicht gebunden ist). Um Orte, die eine Sehnsucht darstellen und sicherlich darstellen sollen. 

Vielleicht ist es für diese Orte geopolitisch klug. Ein Sehnsuchtsort zu sein bedeutet gleichzeitig (das ist eine geopolitische Binsenweisheit), dass gleichzeitig die Kultur dieses Ortes als… ja… überlegen angesehen wird. Die Ideologie des Ortes (wir können es auch Gebiet nennen) wird in aller Welt verbreitet. Orte, die nicht im Zentrum sind, übernehmen die Ideologie. Übernehmen die Kultur. Werden auf diese Weise kolonialisiert. Und unsere Kolonien können sich vielleicht von uns lossagen. Sie können uns nie angreifen. 

Gleichzeitig schotten sich diese Orte der Sehnsucht von der Welt ab. Erschweren das herkommen durch Visaregime und Mauern an Grenzen. Und exportieren ihren Diskurs, wodurch sie als führend in der Welt erscheinen (es betrifft nicht nur das geografische Europa oder die USA, viel mehr betrifft es Zentren der Imperien, wie Lyotard sie treffend beschrieben hat, unabhängig deren geografischer Lage). 

Aber der Ort?

Die Sprache war von dem anderen Ort. Wenn ich es so nennen darf. Foucault ging es dabei aber eher um den Körper. Der eigene Körper, da er in Europa unsterblich geworden ist (nicht nur dadurch, dass wir den Tod aus der Kultur verbannt haben, wir haben auch die Definition, wann der Körper denn tot sei, verbannt), wird er zum Objekt des eigenen Kultes.

Es geht nicht um die Tatsache, dass durch Vergleiche auf Instagram oder Twitter einige Probleme mit dem eigenen Aussehen bekämen. Das wäre zu einfach. Und vielleicht ist die Darstellung auf Instagram und Twitter nur eine sehr extreme Komponente. In der Biopolitik hat der Körper eine sehr wichtige Rolle erhalten (wir sprechen jetzt auch nicht darüber, wo denn die Grenzen des Körpers seien, das wissen wir, Europäer, auch nicht wirklich und das, was wir als „Philosophie“ bezeichnen, kann auf diese Frage keine Auskunft geben). Der Körper soll nicht nur schön sein. Er soll auch möglichst gesund bleiben. Was auch immer wir unter dem Begriff „Gesundheit“ verstehen. Das interessante ist, dass es sich meistens um unsere Körper handelt, die wir betrachten. Die Körper der Flüchtlinge, tot oder lebendig, betrachten wir ja kaum. 

Aber die Utopie?

Besser nicht. Es ist besser hier zu sein. Und jetzt. Vor allem jetzt. 

Zu diesem Thema haben wir bereits hier und hier geschrieben. Alle drei Artikel stellen eine Einheit zusammen. 

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