Romeo öffnete langsam die Tür, zog die Jacke aus und starrte in den Spiegel. „Ich muss etwas tun“ – dachte er – „irgendetwas“. Und die Intensität seiner Gedanken nahm mit dem Denken zu.
Zuerst stellte er die Kaffeemaschine an. Es war eine sehr gute Kaffeemaschine. Mit sehr vielen Funktionen. Doch Romeo hatte nie Zeit, all die Möglichkeiten ausprobieren zu können. Ein Geschenk von Julia. Zum Geburtstag. Er starrte die Machine an. Und für diesen einen Moment unterbrach etwas seine Gedanken. Ein Gefühl. Ein warmes Gefühl. „Liebe Julia“.
Danach lief er in sein Zimmer. „Verdammt“ – sagte er laut – „Ich muss etwas tun!“. Er setzte sich aufs Sofa und starrte auf die weiße Wand vor ihm. Erst vor einem Jahr hat er sie weiß gestrichen. Mittlerweile wurde sie leicht gelb. Von all den Zigaretten, die er auf dem Sofa rauchte.
Der Kaffee war fertig. Romeo ging wieder in die Küche. Er bewegte sich sehr schnell. Doch dann. Erstarrte er für einen Moment. Und ging wieder zurück ins sein Zimmer. „TUE ETWAS“, schrieb er in großen Buchstaben auf einen Zettel, den er an die gelbliche Wand neben all den anderen Zetteln desselben Inhalts heftete. Erst danach ging er in die Küche, goß sich den Kaffee in einen weißen Kaffeebecher ein, kehrte zurück in sein gelbliches Zimmer, setzte sich auf sein Sofa und schaltete den Fernseher an. Dessen Marke er vergessen hat, wusste aber, dass sie besonders wichtig war.
Dabei wusste er noch etwas anderes.
Er wusste, dass er etwas tun müsse. Irgendetwas. Wichtiges. Egal. Irgendetwas.
Währenddessen lieferte ihm das Fernsehen Bilder der Welt frei ins Haus.
Der Dollar hatte sich auf den Weltmärkten beruhigt. Aber die Arbeitslosigkeit stieg erneut. Und wir wissen alle. Arbeitslosigkeit ist ein sehr wichtiger Faktor. Investoren verkauften ihre Aktien erneut, doch das sei lediglich die übliche Jahresrally. Um Gewinne mitzunehmen. CNN brachte einen Bericht aus Kuba, für den sich kein Mensch interessierte. Umgeknickte Palmen, kleine Kinder, heftiger Regen. Was ist schon Kuba? Wir haben Kriege. Umschalten. In einer Werbeeinblendung lächelte ein Mann mit ideal weißen Zähnen. Er schaute Romeo mit besorgten Augen an und fragte, ob er über seine Rente nachgedacht habe. Rente! „Ich muss etwas tun“ – Romeo schaltete wieder um – „irgendetwas“. Ein Softporno. Und eine blonde Frau. Die gerade geküsst wurde. Romeo mochte Softpornos eigentlich sehr. Auch wenn diese „Erotikfilme“ hießen und ein wenig langweilig waren. Einmal hat er sogar nachgerechnet, wie lange es dauerte, bis sich ein Mädel auszieht. Oder ausgezogen wird. Auf dem anderen Kanal lachte ihn ein langhaariger, blonder Mann an. Er verkaufte Geräte, die Bauchmuskulatur stärkten und dich fit machten. Fit war wichtig. „Ich muss etwas tun“ – dachte Romeo. „Irgendetwas“. Mit dem Dollar haben sich auch die Börsen beruhigt. Und in Deutschland bereiteten sich die Parteien auf die Wahlen vor. Kanalwechsel. Ein Film. Romeo glaubte, Charles Bronson erkannt zu haben. „Keine Tricks, oder deine hübsche Frisur ist im Eimer“ – sagte Charles Bronson. Dann schoss er. „Irgendetwas tun“ – dachte Romeo. MTV. Auf MTV ist immer Verlaß. Keine Toten, kein Blut, keine Opfer, kein Krieg. Egal, was gerade in der Welt passiert. Nur engagierte Rockbands, die sich für Wale, gegen Atomversuche und für Hungernde in Somalia engagierten. Aber es war nicht wichtig, wo. Oder was. Hauptsache Engagement. Und Geld von MTV. Dafür hätten alle hungernden ernährt werden können. Ohne die schönen Bands.
Es war spät geworden in der Nacht. Romeo schaltete den Fernseher aus und ging ins Bett ohne sich zu waschen. Er war sehr müde und seine Augen schlossen sich langsam. Er schlief ein. Nur seine Lippen bewegten sich noch. Unbewusst. „Ich muss etwas tun“ – sagten sie automatisch. „Irgendetwas“.